„Staatsstreich“ in Sachsen: Dr. Krah im Interview

  • Das Vorgehen der Sachsen-AfD bei der Wahl zur Landesliste war laut Dr. Maximilian Krah rechtlich einwandfrei.
  • Krah: „Wir geben nicht auf, jetzt erst recht nicht!“

Die Streichung von 43 AfD-Kandidaten zur sächsischen Landtagswahl durch den Landeswahlausschuss ist ein „Angriff auf elementare Regeln der Demokratie“, meint Dr. Maximilian Krah, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Sachsen und EU-Parlamentsabgeordneter. Wir haben mit ihm über die Hintergründe dieses Vorfalls gesprochen.

„Es geht nicht um AfD oder nicht AfD, sondern um Demokratie!"

„Letztlich stand für die Mitglieder des Ausschusses nicht sicher fest, dass es sich um eine einheitliche Versammlung gehandelt hat.“ Mit diesen Worten begründet Carolin Schreck, Landeswahlleiterin in Sachsen, die Entscheidung des Wahlausschusses, die Plätze 19 bis 61 der AfD-Landesliste zu streichen. Hier geht es zur offiziellen Pressemitteilung – allen Unkenrufen zum Trotz ein unter rechtsstaatlichen Aspekten fragwürdiger Akt.

Deshalb haben wir mit dem AfD-Politiker und erfahrenen Juristen Maximilian Krah über die Vorwürfe, die öffentlichen Reaktionen und die Strategie der Sachsen-AfD gesprochen.

„Ein Prozent“: Sehr geehrter Herr Dr. Krah, der sächsische Wahlausschuss hat der AfD die Plätze 19 bis 61 auf der Landtagswahlliste aufgrund „Formfehlern“ gestrichen. U.a. wird behauptet, die Wahlen für die Plätze 1 bis 18 sowie 19 bis 61 hätten an zwei unterschiedlichen Parteitagen stattgefunden. Waren es denn zwei unterschiedliche Parteitage oder ein unterbrochener Parteitag?

Dr. Maximilian Krah: Es war eine Liste, die an zwei Wochenenden beschlossen wurde. Es waren dieselben Eingeladenen, dieselbe Liste, dieselben Regeln. Ich denke deshalb, es war eine Versammlung. Aber selbst wenn es zwei waren, ist das unschädlich, denn diese Abgrenzung ist eine reine Bezeichnungsfrage. Rechtlich relevant ist aber das Wahlverfahren, dass also jeder Teilnehmer immer wusste, was er gerade wählt und dass es keine Dopplungen gab. Und das Verfahren war so sauber, dass es ewig gedauert hat – der Wahlausschuss fokussiert sich also auf eine unerhebliche Bezeichnungsfrage und kommt uns mit Verstößen gegen Regeln, die es gar nicht gibt.

„EP“: Gibt es historische Beispiele, bei denen die Durchführung einer Kandidatenwahl vergleichbar durchgeführt und nicht beanstandet wurde?

MK: Bei den Grünen in den 1980ern und frühen 1990ern mussten die Listen auch über mehrere Wochenenden erstellt werden. Das ist der Preis der Basisdemokratie. Der Wechsel von der Einzelwahl bei vorderen Listenplätzen zur Gruppenwahl bei hinteren Plätzen ist Usus bei den meisten Parteien. Insofern: Es handelt sich hier um eine absolute Neuheit – natürlich zu Lasten der AfD.

„EP“: Die Presse behauptet fast einstimmig, der Vorgang der Listenwahl sei der Grund für die Streichung der genannten Plätze. Wurde dieser Grund denn offiziell vom sächsischen Wahlausschuss bestätigt? Oder handelt es sich um Spekulationen?

MK: Das ist nicht mal eine Spekulation, sondern eine Lüge. Der Wahlausschuss moniert, dass die eine Liste auf zwei Versammlungen beschlossen wurde. Dabei ist klar, dass es zwei Wochenenden waren, also natürlich faktisch zwei Versammlungen. Und ob diese zwei Wochenendversammlungen rechtlich als eine zu werten sind, darüber gab es Dissens und das hat der Ausschuss verneint. Für mein Dafürhalten war es auch rechtlich eine Veranstaltung. Und: Selbst wenn darüber anders entschieden werden sollte, kommt es darauf überhaupt nicht an. Es ist also eine Phantom-Debatte.

„EP“: Jochen Rozek, Professor für Staatsrecht an der Universität Leipzig, äußerte gegenüber dem „Spiegel“, die AfD könne grundsätzlich erst nach der Wahl ein Wahlprüfungsverfahren anstreben. Welche Maßnahmen wird die AfD Sachsen ergreifen, um den entstandenen Schaden zu minimieren?

MK: Das Landeswahlgesetz schließt eine Überprüfung vor der Wahl tatsächlich aus. Somit bleibt allein die Verfassungsbeschwerde, die wir erheben werden. Bei vormaligen Verfassungsbeschwerden hat der Verfassungsgerichtshof immer auf das nachgeschaltete Wahlprüfungsverfahren verwiesen. Der vorliegende Fall ist so gravierend und besitzt das Zeug zur echten Legitimationskrise, dass wir uns realistische Chancen ausrechnen, dass der Verfassungsgerichtshof diesen Staatsstreich des Wahlausschusses noch stoppt.

„EP“: Die Wahlen sind bereits am 1. September. Was bedeutet die Entscheidung des Wahlausschusses konkret für Ihren weiteren Wahlkampf in Sachsen?

MK: Wir wissen kommende Woche, ob die Manipulation der Liste Bestand haben wird – der Gerichtshof ist schnell. Falls es so sein sollte, werden wir eine konsequente Erststimmen-Kampagne starten. Zudem ist klar, dass durch diesen in der deutschen Demokratiegeschichte einmaligen Eingriff in demokratische Wahlen die Sachsenwahl ein neues bestimmendes Thema gefunden hat. Es geht nicht mehr um AfD oder nicht AfD, sondern um Demokratie oder nicht Demokratie!

„EP“: Derzeitige Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD und CDU voraus. Durch die jüngsten Ereignisse dürften zahlreiche Mandate der AfD unbesetzt bleiben. Was passiert mit diesen unbesetzten Mandaten? Und wieso verfügen 15 der 18 vorderen Listenplätze auch über ein Direktmandat?

MK: Wir haben absichtlich nur solche Kandidaten auf die Liste genommen, die auch Direktkandidaten sind. Das ist ein Gebot der Verankerung in der Basis: Wer nicht das Vertrauen in seinem Wahlkreis genießt, soll nicht in den Landtag. Zudem verhindert es Kandidaten, die quasi „im Schlafwagen“ Mandate erhalten, ohne vor Ort zu kämpfen. Dieser Ansatz ist meines Erachtens also richtig und erhöht unsere Schlagkraft. Kommt es nun tatsächlich wie in Görlitz zu parteiübergreifenden Anti-AfD-Bündnissen bei den Direktmandaten und bekommen wir deshalb weniger Abgeordnete als uns nach dem Wahlergebnis zustehen, so bleiben diese Sitze leer. Die zur Regierungsbildung notwendige Stimmenzahl sinkt. Der Landtag würde nicht das Wahlergebnis widerspiegeln, erlassene Gesetze sowie die zu wählende Regierung wären nicht demokratisch legitimiert. Es ist der verfassungsrechtliche GAU. Ob die Verfassungsrichter das sehenden Auges zulassen, will ich wissen. In jedem Fall wird es dann keine volle Legislaturperiode geben. Eine zeitnahe Wiederholungswahl ist hochwahrscheinlich.

„EP“: Befürchten Sie angesichts dieser (mindestens) umstrittenen Listenstreichung, dass damit weiteren rechtlich fragwürdigen Wahlbeeinflussungsversuchen zuungunsten der AfD Tür und Tor geöffnet werden?

MK: Dieser bislang beispiellose Angriff auf die freien Wahlen lässt in der Tat Schlimmstes befürchten. Die etablierten Akteure habe keinerlei Respekt vor demokratischen Regeln, wie sie schon bei der Besetzung des Bundestagspräsidiums und ganz aktuell beim Präsidium des Europäischen Parlaments unter Beweis gestellt haben. Mit der Kastration der AfD-Wahlliste in Sachsen hat dieser Angriff auf elementare Regeln der Demokratie eine neue Qualität erreicht. Bemerkenswert ist, dass diese Leute keinerlei schlechtes Gewissen haben; sie wähnen sich auch im Rechtsbruch moralisch erhaben. Das lässt in der Tat Schlimmstes befürchten. Ich kann aber versichern, dass wir, obwohl wir diese Polarisierung nicht wollen, auf sie vorbereitet sind. Wir geben nicht auf, jetzt erst recht nicht!

„EP“: Herr Dr. Krah, vielen Dank für das Gespräch!

Demokratie schützen, Heimat bewahren

Auch außerhalb der Partei engagiert sich unser Interviewpartner für den Schutz unserer Demokratie. Als Sachse ist ihm der hohe Wert der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit besonders wichtig. Deshalb tritt Dr. Krah auch als Unterstützer unserer Wahlbeobachtungskampagne auf. Auch für die Wahlen im September hat er eine Botschaft an alle, die sich für den Schutz der Volkssouveränität einsetzen wolle:

Die Ereignisse in Sachsen bedeuten für uns, dass wir am 1. September noch genauer hinsehen werden. Mit der Hilfe zahlreicher Unterstützer wollen wir zumindest am Wahltag jeden Betrug unbedingt verhindern! Helfen Sie uns dabei! Tragen Sie sich unter www.wahlbeobachtung.de ein. 

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Kommentare (8)

Thomas Walde
Wie groß muss wohl die Angst der Systemparteien sein, daß sie sich zu einem solchen Schritt hinreißen lassen.
Juwe
Es ist wirklich unglaublich! Ich habe früher gegen das DDR Regime gekämpft und wache jetzt in einer Diktatur auf! Müssen wir jetzt 89 wiederholen? Ich und viele Millionen werden niemals eine Regierung in Sachsen anerkennen die unter solchen Bedingungen uns vorgesetzt wird! Geht auf die Strasse und zeigt denen was wir von ihrer "Demokratie" halten!
Max
Schließe mich der Meinung von Juwe komplett an. Auch ich war damals auf der Straße. Was hat sich verändert? Da fällt mir doch gleich Kurt Tucholsky ein. Er sagte mal: „Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten“. Wie war, damals wie heute, das Ergebnis der Wahl steht schon vorher fest. Und wenn es den "Politikern" nicht passt, dann wird es passend gemacht.
Joachim Lobauer
Bei den letzten DDR-Kommunalwahlen in 1989 erreichte die SED-Liste nach dem offiziellen Ergebnis eine Zustimmung von 98,85 Prozent. Dreißig Jahre später soll sich dieses "Ergebnis" bereits vor der Wahl und in aller Öffentlichkeit als Treppenwitz der Weltgeschichte wiederholen! Wer zu solchen antidemokratischen Mitteln greift, versucht nicht nur einen Mitbewerber (AfD) zu behindern, er schaltet den demokratischen Prozess insgesamt aus: Die Regierung Merkel platzt spätestens nach dieser Wahl, hat also sprichtwörtlich "fertig"...
Mike B
Wie kann es denn eine Veranstaltung sein, wenn gar nicht alle Personen an den Wochenenden vor Ort waren? Reicht die Einladung nach dem Gesetz? Wenn auch auf 2 Veranstaltungen es gewählt werden kann, sieht dies das Gesetz auch vor?
Olaf Stein

Dies alles ist ein riesiger Betrug. Hier soll mit allen Mitteln, legal oder illegal, eine Partei klein gehalten werden. Ich finde das Wort Staatsstreich passend. Nur die Macher fühlen sich im Recht das Recht zu beugen. Das alles kann so nicht mehr weitergehen.

Wilhelm
Kein großer Schritt mehr zum 2. Ermächtigungsgesetz. Unfassbar! Unfassbar!
Charles Magnier
" Wie groß muss wohl die Angst der Systemparteien sein, daß sie sich zu einem solchen Schritt hinreißen lassen" - Sehr, sehr groß! Wer es jetzt nicht sieht.... "Müssen wir jetzt 89 wiederholen?" - Der Zug ist VIELFACH zu spät abgefahren! Das wäre 2001 vielleicht möglich gewesen.... " „Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten“ " - Nein, nur ist hier die Wahl in großer Gefahr. " Ich finde das Wort Staatsstreich passend." - Kein Kommentar

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