Tomasz Froelich im Gespräch: Ist Polen zu rechts?

Polen hat gewählt: Der amtierende Präsident Andrzej Duda gewinnt gegen den linksliberalen Herausforderer Rafał Trzaskowski. Wir sprachen mit Tomasz Froelich über die Konsequenzen, die der Sieg der Konservativen in unserem Nachbarland nach sich ziehen wird. Froelich ist deutsch-polnischer Herkunft, arbeitet als Politikberater in Brüssel und engagiert sich zudem als stellvertretender Bundesvorsitzender in der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD.

Herr Froelich, die Wahlen am vergangenen Wochenende in Polen haben die deutschen Mainstream-Medien geschockt: Hier liest man von einer Spaltung des Landes und warnen vor der angeblich illiberalen Politik Dudas. Doch wie sieht es tatsächlich aus?

Tomasz Froelich: Wenn deutsche Mainstream-Medien geschockt sind, ist das zunächst einmal ein gutes Zeichen. Wir wissen ja, wie es gelaufen wäre, wenn der linksliberale Kandidat Rafał Trzaskowski die Wahl gewonnen hätte: Man hätte die „Vielfalt“ des Landes gepriesen. Nun, wo der konservative Amtsinhaber Andrzej Duda im Amt bestätigt wurde, spricht man von „Spaltung“.

Stehen den Polen schwere Zeiten voraus?

TF: Den Polen stehen keine schweren Zeiten bevor. Polen hat sich in den letzten Jahren, in denen es von der konservativen PiS und einem Präsidenten Andrzej Duda regiert wurde, gut entwickelt – besser als Deutschland. Es markiert aktuell den antikulturmarxistischen Schutzwall, in dem es Werte hochhält, die im progressiven Westen verächtlich gemacht werden, die aber notwendig zur Selbsterhaltung sind: christliche Religiosität, Tradition, Heimatliebe, Identität, Familie. Dem würden im Übrigen auch viele Trzaskowski-Wähler kaum widersprechen. Polen ist nicht gespalten, es ist nur nicht so gleichgeschaltet wie Deutschland.

Mitunter wird den Polen von deutscher Seite her ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie nachgesagt – meistens dann, wenn konservative Politiker die Wahlen für sich entscheiden. Doch wie steht es um die Demokratie in Polen wirklich?

TF: Ich wäre froh, wenn Deutschland so demokratisch wäre wie Polen. In Polen werden Wahlergebnisse nicht rückgängig gemacht, wenn das Ergebnis den Herrschenden nicht passt, wie es etwa bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen der Fall war.

In Polen gibt es faktisch keine gewaltbereite Antifa, die Oppositionelle, oder auch nur jene, die ihnen Räume für politische Veranstaltungen vermieten wollen, einschüchtert, verprügelt oder deren Eigentum zerstört. In Polen gibt es keinen Inlandsgeheimdienst, der Patrioten grundlos kriminalisiert. In Polen werden Parteien zustehende Posten entsprechend demokratischer Gepflogenheiten zugeteilt und nicht versagt – in Deutschland schon, man denke nur an das Bundestagspräsidium, in dem die AfD nicht vertreten ist. In Polen wird auch ein Abgeordneter der Regierungspartei nicht eben mal so zum obersten Verfassungsrichter ernannt, während hierzulande Stephan Harbarth (CDU) ein derartiger Karrieresprung gelang. Und im Gegensatz zu Deutschland wird der Präsident in Polen vom Volk gewählt. Wer hat hier also ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie? Die Deutschen, oder die Polen?

Was bedeutet der Wahlsieg Dudas für die EU im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen? Wie wird die Politik Dudas in Zukunft aussehen?

TF: Den Polen gelingt das Kunststück, einerseits Stachel im Fleisch der Eurokraten zu sein, andererseits größter Nettoprofiteur der EU zu bleiben. Das wird auch vorerst so bleiben. Auf EU-Ebene wird man weiterhin monieren, dass die Rechtsstaatlichkeit in Polen gefährdet sei, obwohl die dortige Justizreform im Kern eine Angleichung an europäische Standards vorsieht. Man wird sich über LGBT-freie Zonen in Polen echauffieren. Man wird von Warschau fordern, Migranten aus inkommensurablen Kulturkreisen aufzunehmen. Und all das wird den Polen egal sein.

In Deutschland wird bei Wahlen vehement auf die Unmöglichkeit einer Manipulation hingewiesen. Wie sieht es damit bei unseren polnischen Nachbarn aus?

TF: Entscheidend soll ja nicht sein, wer wie wählt, sondern wer wie zählt. In Deutschland hatten wir ja bereits derartige Fälle von Wahlmanipulation, beispielsweise bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2017. Komischerweise zulasten der AfD. Auch deshalb haben sich Initiativen zur Wahlbeobachtung in Deutschland gebildet. Es gibt keine stichhaltigen Indizien dafür, dass in letzter Zeit in Polen Wahlen manipuliert worden sind.

Vergleichen wir Duda mit Trump, Putin oder Orban: Welche Unterschiede sehen Sie zu den genannten Politikern? Welche Chancen, welche Gefahren sehen Sie für den politischen Konservatismus?

TF: Darüber könnte man ganze Bücher schreiben! Die wesentlichen Unterschiede sind den jeweiligen Interessen der genannten Politiker geschuldet. Duda setzt stark auf Trump. Das ist nachvollziehbar, aber mit Risiken verbunden, etwa wenn Biden Trump ersetzen sollte. Biden und Duda dürften keine engen Freunde werden, weil Biden eher die progressiveren Kräfte im Land unterstützen würde.

Mit den Ungarn verbindet die Polen eine enge Beziehung. „Pole, Ungar, zwei Brüderlein“ sind die Anfangsworte eines historischen Sprichworts, das seit dem Mittelalter existiert und die tiefe Freundschaft beider Völker ausdrückt, die bis heute andauert und von Orban und Duda kultiviert wird – gemeinsame Interessen begünstigen diese Haltung.

Das Verhältnis zwischen Warschau und Moskau ist hingegen schwierig. Die geopolitische Westorientierung der polnischen Regierung steht ein wenig im Widerspruch zu ihrem eigenen gesellschaftspolitischen Programm und der gesellschaftspolitischen Agenda des Westens. Auf Dauer lässt sich das eine vom anderen nicht trennen, der PiS gelingt dieser Spagat derzeit aber noch. Irgendwann müsste die PiS ihre Russophobie ablegen, Moskau macht es ihr aber mit antipolnischer Geschichtsklitterung, die fast schon als Versuch gewertet werden muss, den Polen einen Schuldkult einzuimpfen, nicht gerade leicht. Eine Entspannung der polnisch-russischen Beziehungen bleibt daher wohl erstmal Wunschdenken. Aber was nicht ist, kann vielleicht irgendwann einmal werden.

Duda, Trump, Orban und Putin sind zweifelsfrei Patrioten und sie kämpfen für Werte, die von den globalistischen Eliten bekämpft werden. Zeitgleich haben insbesondere Duda, Orban und Putin eine starke Binnenorientierung, was die Zusammenarbeit mit patriotischen Kräften auf internationalem Parkett erschwert, zugleich aber nationale Chauvinismen begünstigt, die eigentlich überwunden gehören.

Aus patriotischer Sicht freut man sich naturgemäß für Polens Patrioten – hat aber zugleich die deutsche Minderheit speziell in Oberschlesien im Kopf. Erfahrungsgemäß fährt diese kulturell und politisch besser, wenn nichtrechte Kräfte in Polen regieren. Wie kann man dies nun unter Duda weiterhin erwarten? Immerhin mobilisierte er auch nationalistische Wählergruppen, die als radikale Gegner deutscher Selbstbehauptung in den verbliebenen deutschsprachigen Siedlungsgebieten bekannt sind.

TF: Es gibt gewisse antideutsche Ressentiments in Polen, für die man aus historischer Sicht ein wenig Verständnis aufbringen muss. Die PiS bedient diese Ressentiments von Zeit zu Zeit, etwa dann, wenn sie utopische Reparationsforderungen gegen Deutschland ins Spiel bringt. In Polen lassen sich damit Stimmen gewinnen. Natürlich ist das aus deutscher Sicht ärgerlich.

Was übersehen wird, ist, dass diese teils antideutsche Rhetorik nichts anderes ist als ein Reflex auf Belehrungen aus Berlin oder Brüssel. Die Polen haben Fremdbestimmung satt und reagieren entsprechend allergisch auf Versuche externer Einflussnahme. Darunter leidet dann auch die schützenswerte deutsche Minderheit in Oberschlesien.

Ganz allgemein: Wie könnte eine Zusammenarbeit rechter Kräfte in Polen und Deutschland aussehen? Oder gibt es dafür keine Grundlage, v.a. unter dem oben genannten Gesichtspunkt deutscher Minderheiten?

TF: Doch, eine solche Zusammenarbeit ist möglich, und sie fand auch schon in der Vergangenheit statt: Die AfD arbeitete beispielsweise in der letzten Legislaturperiode im EU-Parlament mit der Vorgängerpartei der aktuell sehr erfolgreichen nationalkonservativen, katholischen, marktliberalen und ordnungsstaatlichen Konfederacja-Partei zusammen. Diese hat sich unter anderem massive Steuersenkungen, stärkere Elternrechte, den Kampf gegen die LGBTQ-Propaganda, eine starke polnische Armee und eine unabhängige, weder washington- noch moskauhörige polnische Außenpolitik auf die Fahnen geschrieben.

Damit hat die AfD mit ihr in toto mehr gemein als mit der PiS, die wirtschafts- und sozialpolitisch einen eher etatistisch-sozialkonservativen, und geopolitisch einen sehr transatlantischen Kurs fährt. Sowohl mit der Konfederacja, als auch mit der PiS fanden in der Vergangenheit Gespräche statt. Bei allen Differenzen: Gegen die zersetzenden Irrlehren des Globalismus und Kulturmarxismus, die einen immer totalitäreren Charakter annehmen, müssen die Patrioten aller Länder zusammenhalten. Das muss in die Köpfe rein.

Herr Froelich, vielen Dank für das Gespräch.

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Kommentare (1)

Gretel
In der Sache hat Herr Froelich sicher recht. Im Detail irrt eher. "In Polen wird auch ein Abgeordneter der Regierungspartei nicht eben mal so zum obersten Verfassungsrichter ernannt, während hierzulande Stephan Harbarth (CDU) ein derartiger Karrieresprung gelang." Das ist falsch. Sowohl Krystyna Pawłowicz als auch Stanisław Piotrowicz tauschten ihre Parlamentssitze 2019 gegen ein Amt als Verfassungsrichter. Erstere war eine der bekanntesten und umstrittensten Abgeordneten der PiS. Ähnlich umstritten war Piotrowicz, der unter den Kommunisten bereits Karriere als Staatsanwalt machte. Letzteres kann man auch als Beispiel dafür sehen, wie antikommunistisch die PiS wirklich ist. Viele rechte und konservative Wähler taten sich bei dieser Wahl extrem schwer damit, ihre Stimme für Duda abzugeben. Darin liegt auch die Begründung, dass fast die Hälfte der Wählerschaft der von Froelich erwähnten Konfederacja für den Liberalen Trzaskowski gestimmt haben.

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